Loading...

Pforzheimer Kriegskommissar an kaiserlichen Generalkommissar 1634

Der Pforzheimer1 Kriegskommissar Hans Wolf Pelkover2 berichtet dem Generalkommissar der kaiserlichen Armee Hans Christoph Freiherr von Ruepp3 über die Situation vor Ort, insbesondere über die Probleme mit den Lieferungen an Kriegsmaterial (Pulver, Munition) und Proviant (Brot), wobei er vor allem erwähnt, dass regionale Unterschiede beim Berechnen der Maßeinheit für das Schüttgut (in diesem Fall: Dinkel) zu Verlusten und Verwirrung geführt hätten, weshalb er um eine einheitliche Berechnung nach dem Pforzheimer Maß ersucht. Ferner weist Pelkover darauf hin, dass die Bürgerschaft infolge der Verköstigung der im Quartier verbliebenen Soldatenfrauen, aber auch durch Plünderungen enorm bedrückt werde und schlägt vor, das Regiment aufzuspalten und auf andere Ortschaften zu verteilen.

Pforzheim, 19./29. Dezember 1634 (Ausfertigung)

Wohlgebohrner Freyherr, Ihme seindt mein gehorsamb-
willige Dienst bevohr4, großgönstiger5 Herr etcetera.

Heut umb 3 Uhr Nachmitag ist ein Zeug-Diener6 mit
30 Mußquetireren undt 6 Fuhren khommen, die 55 Donnen
Pulver abzueholen. Weilen ich aber Sorg gehabt, es möchte
darmit etwaz verweilet werdten, hab ich die Metzger- und
andere Pferdt zuesamen glaubt, damit das Pulver gestert7
fortgeschickht. Dißer Zeug-Diener aber hat sich von der
Straßen auff die linckhe Hanndt geschlagen, dahero sye
aneinander verfehlt, und die höchste Nothurfft8 er-
fordert, darob zue sein, damit die Pferdt baldt wider
zueruckhkhommen.

Weilen ich (wie heut berichtet) auß Obristen-Leutenant
Ungelters9 Schreiben vernommen, das wider acht Wägen
mit Munition volgen sollen, hab ich dieße heut
sambt den 30 Knechten10 hie behalten undt sollen die 6
Fuhren morgen in ihr Quartir interim11 alda, biß
gedachte Munition hie ankhomme, verwardten. Alß-
dan selbige sambt den angeschafften Brodt hienach
volgen.

Zue Stein12 sollen uff khünfftigen Sambstag wider 50 Malter13
Dinckhel abgeholet werdten, deßgleichen zue
Gochzheim14, waß müglich ist. Der Ambtman zue
Stein will außer füerstlichem Bevelch mehr nit alß
200 Malter Dinckhel hergeben. So aber ahn glaten15
Kernen nit 100 Malter trifft, wehre guet, wan
man noch so viel heraußbringen khönte, weilen
hier allein der Malter und nit der glaten Kernen
gedacht wordten.
Wie ich geschriben, würdt ohne Maßgeben mein großgönstiger
Herr dahien gedacht sein, damit Ihr grävliche Gnaden von
Grunßveldt16 seinen Keller17 concedir18 unndt ahnbevehle, daß
er hie daß Pfortzheimer Maß gebe, dan sonsten (wie
gestert bericht worden) daß Gochzheimer Malter
umb ein halb Simeri19 khleiner, welches in den Proviant-
weßen ein zimblichen Abgang20 und große Confusion
causirte21.
Herr Obristen von Hartenberg22 vermeindt, uber die in der De-
signation23 begriffene 1.600 Brodt noch von der Statt
auch so viel zue nemen. Und weilen die Burger die hinder-
bliebene Soldaten-Weiber immerfort cösten, noch darzue,
so lang der Soldat nit in Quartir ist, ein benendtes
Costgelt gebe mueß, würdten sye 3 Mahl proviantirt.
Dahero mein großgönstiger Herr mit Herren Obristen hierinen
zue fractiren24 wißen würdt und darob sein, auff daß
dieß Regiment zertheilt und anderer Orthen accom-
modirt25 werdte. Außer deß26 die Burgerschafft ver-
triben undt letztlich weder Rantion27 noch Contribution28 zue
erheben sein würdt, dan sye in der Warheit mit täglich
durch Marotzierenden29, die sye darneben außhalten müeßen,
sehr beschwerdt sein.
Ihn meinen heutigen Schreiben hab ich vor die Newbürger30
6 Knecht zuer Salva Quardi31 begehrt. Weilen sye aber
heut noch umb 2 gebetten, alß wolle ihme mein
großgönstiger Herr belieben laßen, von denjenigen 30 Knechten,
so jetzt die Munition convoiren32, ihrer 8
dahin zue commandiren, damit sye desto sicherer sein und
bey Hauß verbleiben undt contribuiren33 mögen.
Herr Steichmair will nit recht ahn die confiscirte34
Heußer; selbige außzueraumen, were ohne Maßgeben
khein beßers Mittel, alß des dieße Commission Herrn
Schalckhen auffgetragen wurdte. Der solle es wohl
baldt zuesamen bringen.

So ich meinen großgönstigen Herren abermahlen über-
schreiben und zue dero gehorsamst mich empfehlen wollen.
Datum Pfortzheim, den 19ten Decembris anno 1634.

Meines großgönstigen
Herrens
gehorsamwilliger
Wolff Pelkhover


1 Stadt Pforzheim PF.

2 Pelkover, Wolf, 1634–1636 bayerischer Kriegskommissar in Pforzheim (Maier, Franz: Die bayerische Unterpfalz im Dreißigjährigen Krieg. Besetzung, Verwaltung und Rekatholisierung der rechtsrheinischen Pfalz durch Bayern 1621 bis 1649. Frankfurt/M. u.a. 1990, S. 587).

3 Ruepp, Hans Christoph Freiherr von (1587–1652), 1632–1635 bayerischer Oberst und Generalkriegskommissar (Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien Régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 285; Saito, Keita: Ruepp, Hans Christoph von 2017. In: Lexikon der Heerführer und hohen Offiziere des Dreißigjährigen Krieges, hg. von Markus Meumann (Online-Ressource; URL: https://thirty-years-war-online.net/prosopographie/heerfuehrer-und-offiziere/ruepp-hans-christoph-von/ (TT.MM.JJ))

4 Bedeutung: „seindt […] bevohr“ = sei(en) versichert.

5 Bedeutung: „großgönstiger“ = wohlmeinender, gewogener. Im Original in der Schlussformel ausgeschriebene Floskel; im Text davor viermal abgekürzt.

6 Bedeutung: „Zeug-Diener“ = Feldzeugmeister, meist ein Offizier der Artillerie.

7 Bedeutung: „gestert“ = gestern.

8 Bedeutung: „Nothurfft“ = Notwendigkeit, Notlage.

9 Ungelter, Wolf Jacob, bayrischer Obrist; vgl. <(https://www.30jaehrigerkrieg.de/?s=ungelter)> (05.05.2023).

10 Bedeutung: „Knecht“ = hier: Kriegs- bzw. Landsknecht.

11 Lat. = inzwischen, zwischenzeitlich, übergangsweise.

12 Stein, Gde. Königsbach-Stein PF.

13 Bedeutung: „Malter“ = Getreidemaß (eigentlich das für einen Mahlgast auf einmal zu Mahlende), Volumenmaß für Schüttgut.

14 Gochsheim, Stadt Kraichtal KA.

15 Bedeutung: „glat“ = glatt, glänzend; hier: ausgeputzt, abgespelzt.

16 Gronsfeld, Graf von, kaiserlicher bzw. bayerischer Offizier (welcher?); vgl. Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien Régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 114.

17 Bedeutung: „Keller“ = Kellermeister, Kellerverwalter. Der „Keller“ war insbesondere für die Eintreibung der Geld- und Naturalabgaben an den Lehns- bzw. Grundherren verantwortlich.

18 Bedeutung: „concediren“ = bewilligen, erlauben.

19 Bedeutung: „Simeri“ = = Hohlmaß für Getreide (historisch: 1 Scheffel = 8 Simeri; 1 Scheffel beinhaltete 40 bis 230 Liter).

20 Bedeutung: „Abgang“ = Verlust.

21 Bedeutung: „Confusion causirte“ = Verwirrung verursachte.

22 Hardenberg, bayrischer Offizier (Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien Régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 120).

23 Bedeutung: „Designation“ = Bezeichnung, Bestimmung, vorläufige Ernennung.

24 Bedeutung: „fractiren“ = brechen, aufspalten.

25  Lat. = anpassen, sich einigen.

26 Bedeutung: „außer deß“ = andernfalls.

27  Bedeutung: „Rantion“ = Lösegeld zum Loskauf aus Kriegsgefangenschaft.

28 Bedeutung: „Contribution“ = Steuer, Beisteuer (spez.: für den Unterhalt der Besatzungstruppen erhobener Beitrag im besetzten Gebiet).

29 Bedeutung: „Marotzierende“ = Plünderer (Marodierende, Marodeure); Nachzügler einer Truppe, die am Rande von Kampfhandlungen brandschatzen, plündern usw.

30 Stadt Neuenbürg PF.

31  Lat. Salva Guardia, hier = Schutz- und Geleitbrief.

32 Bedeutung: „convoiren“ = begleiten.

33 Bedeutung: „contribuiren“ = zuteilen, (eine Geldsumme, besonders eine Kriegssteuer) beitragen, bezahlen.

34 Bedeutung: „confiscirte“ = beschlagnahmte.

Quelle Staatsarchiv München, Schlossarchiv Teising 57
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.