Landtagsbeschwerde der Gemeinde Knittlingen 1633
Eingabe der Vertreter der Gemeinde Knittlingen1 beim württembergischen Landtag mit der Bitte um Schutz sowie Befreiung von Steuern, Einquartierungen und anderem, begründet mit der Zerstörung Knittlingens am 15./25. August 1632 durch kaiserliche Truppen und die dadurch verursachte besonders schwierige Situation.
Knittlingen, 4./14. Juni 1633
Gravamina2
gemaines Fleckhen Knittlingen,
so bey bevorstehendem Landttag
neben gemainen Ambzbeschwerden
einzuebringen.
Es ist bekhandt, offenbar und am Tag, was
ohnzahlbar vihl sehr hardte, schwehre und ganz
verderbliche, sowohl beständige allß unbehar-
liche3 Einquartierungen, Durchzüg und Auß-
loßungen4 der Grentzfleckh Knittlingen bei
dißem nunmehr in die 13 jarlang continu-
ierenden laydigen Kriegsweßen gehabt und
erlitten. Dann zue mehrmahlen
nit nur 2, 3, oder 4 Compagnia, sondern
ganze Regimenter auff einmahl darinnen
eingefallen und Quartier genommen. Und ist
selbiger selten vor dergleichen Durchzug unnd
Einquartierungen gesichert geweßen, wie
dann eine der andern schier nit wohl entgehn
mögen. Ja, so offt sich in selbiger Refier5 ein
Durchzug eraigt, hat selbiger gemainlich disen
vor andern Fleckhen getroffen, welche
die arme Burgerschafft mit Tribuliren, Rantzio-
nieren, Spolieren, Gelltpressuren, Exactionen6,
allerhandt Exorbitantien7, Blündern und in andere
Weeg yber die Maßen hardt getruckht, gepresst,
außgemattet und biß uf denn eüssersten Grad
ußgesogen. Biß entlich dißer Fleckh
mittwochs, denn 15ten Augusti deß verwichenen
1632igsten Jars, vonn dem ossarischen Kriegs-
volckh8 in etlich 1000 starckh feundtlich yberfallen,
umbringt9, bestigen und entlich (neben deme uf
die 46 Personen allein von Burgern, mehrertheils
Mannschafft, ohne die Ußwahl jämmer- unnd
erbärmlicherweiß umbs Leben gebracht und dar-
nider gemacht) allenthalben an Brandt
gesteckht, uf dem Boden rain abgebrandt und
allso zue einem lauffern Stain- und Aschenhauffen
gemacht worden, das davon nichts, weder
die vorm Fleckhen stehende 3 Mühlinen
ufrecht und ybrig gebliben. Wann
dann nun die ybergeblibene Burgerschafft
dardurch in eusserstes Verderben gerichtet und
gleichsamb aller Kräfften beraubet
worden, allß ist Schuldthaiß,
Burgermaister, Gerichts und ganzer Gemaindt
underthönigs und hochvleißiges Pitten, sie
allß arme, verbrendte und ganz verderbte Under-
thanen hinfüro etlich jarlang nit allein
der Landtsteur, Abloßungshülff, Kriegscon-
tribution10, Wochengelts – waß sowohl beraits
verfallen, allß auch khünfftig ihnen ufgelegt
werden möchte – und anderer Anlagen zue befreyen,
sonder auch vor Einquartierungen und Ußloßungen11
(deren die schweedischen Soldaten beraits seithero
sich schon etlichmahl wider angemeldet) zue sichern,
damit sie sich desto besser erhohlen und zue
haüßlichen Ehren und Underschlauff12 wider gelangen
möchten.
Der beschädigten Personen seyen uf die 30.
Weilen nun das Closter selbige mehrertheils
curieren und haylen lassen, allß
belauffen sich das Arzetlohn etlicher Personen,
so nit im Closter gehailt worden, uff
65 [Gulden]. Mit Bitt, sie diß Orts
denn andern gleich zue halten.
Actum Knittlingen, denn 4. Junij
anno etcetera 1633.
Schuldthaiß, Burgermaister
und Gericht daselbsten.
1 Stadt Knittlingen PF.
2 Lat. = Beschwerden.
3 Bedeutung: Unbehagen auslösende.
4 Sinngemäß: Enteignungen.
5 Revier, Gebiet.
6 Einziehungen, vor allem das (gewaltsame) Requirieren durch Soldaten.
7 Sinngemäß: Übermäßige Repressalien.
8 Truppen des Ossa, Wolf Rudolf von (um 1574–1639), kaiserlicher General; <https://www.30jaehrigerkrieg.de/ossa-wolf-rudolf-freiherr-von-2/> (19.12.2022)
9 Umringt („umb-ringt“), eingekesselt.
10 Bedeutung: für den Unterhalt der Besatzungstruppen erhobener Beitrag im besetzten Gebiet.
11 Siehe „Außloßungen“: Enteignungen.
12 Wörtlich: Unterschlupf; sinngemäß: Notunterkunft.
Quelle | Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 502 Bü 373, Nr. 2 |
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu. |