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Bericht der kaiserlichen Restitutionskommission 1630 (Auszug betreffend Maulbronn)

Auszug aus einem im Klosterarchiv Salem1 überlieferten ausführlichen Bericht der Unterbevollmächtigten der kaiserlichen Restitutionskommission über die Inbesitznahme und Rekatholisierung des Klosters Maulbronn2. Sie erfolgte unter Beteiligung starker militärischer Truppen und gegen den Protest einer württembergischen Delegation im Zusammenhang mit der Huldigung der Untertanen sowie der Entlassung der lutherischen Pfarrer und Lehrer. Der Ablauf jedes einzelnen Tages wird aufs Genaueste protokolliert, wobei offenkundig wird, dass jegliche Protestaktion oder Aufwiegelung der ohnehin verärgerten Untertanten gegen die Rekatholisierung unter Androhung von militärischer Gewalt und harten Strafmaßnahmen rigoros unterbunden wurde. Die Rekatholisierung wird dem Bericht zufolge vor allem damit begründet, dass der Lutherische Glaube „wider Recht“ in Maulbronn eingeführt worden sei, weshalb zukünftig nur noch „der alte chatholische Glaub“ geduldet, gelehrt und gepredigt werden solle. und berichtet von Übergriffen im Dorf Gölshausen.

[o. O.], September 1630

13. Septembris

Morgen umb 7 Uhren seyn wir zue Canstatt3 ahn-
kommen. Daselbst Herr Obrist von Ossa4 mit zwayen
Guttschen und zwen Pagagiwägen5 auß seinem
allda habender Quartier aufgebrochen und mit
unß auf Enßaichingen6 zuegeruckht. Daselbst
wir umb 2 Uhr Nachmittag ankhommen unnd
negst ahn dem Fleckhen ain Compagnia Kurisier-Reiter7
zue unß gestossen und ain Compagnia Fuoßvolckh von
100 Man nachgefolgt. Ahn disem Orth Herr Obrist
von Ossa so vil Ahndeütung gethan, daß Ihr Fürstliche
Gnaden von Württenberg ahn ihne gesonnen, das
auf Bott[?] und Durchfüren der Soldatesca durch
daß Landt zue underlassen. Wolle sein fürstlich
Wort darumb gegeben haben, daß ahn kainem
Orth, so der Restitution8 underworffen, Wider-
standt beschähen werde. Item hat man sovil in
Erfahrung gebracht, daß gestrigen Tag die
Pfleger aller Gottsheüßer nach Stuttgarten9
erfordert worden. Und seye auch der Under-
vogt von Enzzaichingen nach Maulbronn verraist,
vermuetlich daselbst sovil möglich alleß auf-
zueraumen. Deßwegen Herrn Commissarium10 von
Ossa vor guett angesehen, in der Nacht etlich Reütter
nach Maulbronn zue schickhen, dasselb Orth und was
allda fürgange zue recognosciren11. Es ist auch
gleich von Enzzaichingen durch ainen württenbergischen
Haubtman uber daß Landtvolckh zue Maulbronn
dem Herrn von Ossa Bericht geben worden, daß 24
Dörffer zue Maulbronn gehörig und daß bey
23 Praedicanten12 von demselben Gotshauß bekhant
seyen. Also ist durch disen Haubtman ahn denn Ambt-
mann zue Maulbronn schrifftlicher Befelch ergangen,
daß er alle seine Ambtsangehörige auf
Sonntag, den 15. huius13, morgen umb 8 Uhren zue Maul-
bronn zue erschinen betagen14 solle. Es hat auch vilge-
dachter Herr Obrist von Ossa fernere Ahnzaig gethan, daß
er den Herrn Administratorn15 nach Stuttgartt berichtet,
waßmassen er etlich Volckh werde auß empfangnen
kayßerlichen Befelch forttfiehren müessen, mit Begehren,
ainen Commissarium ihme beyzueordnen, damit der
Zug desto ordenlicher abgehe. Es haben aber ihr
Fürstliche Gnaden durch den von Buwinckhenhausen16 ihme
andtwordten lassem, daß sie wissen, daß er
ain Exection17 vorzuenemen vorhabendt seye.
Haben also Bedenckhens, ihme ihre Commissarios dar-
zue heerzuegeben, müeßen gleich geschehen lassen, was
man thun werde. Unnd hab ermelter Buwinckh-
haußen in conversatione18 sich verlauten lassen, das
er gleich woln dem Herzogen längst gerathen, solle
sich mit dem Kaißer unnd denn München19 unnd
Pfaffen wegen der gaistlichen Güetter
vergleichen, hab aber nichts verfangen. Allso
solle man haben und leiden, was folgen werde.
Es hat aber diß der allmächtige Gott ohne
Zweifel also verhängt, damit der verndrigen20
Jahrs den Herrn kayßerlichen Commissarien zu Sanct
Georgen erwissne Despect widerumb off-
entlich gerochen würde21.

 

  1. Septembris

Hoc die qui exaltationi Sancti Crucis festus
a ob id[?] contra haereticos Crusis Sanctae osores 
inprimis auspictatus,22 seyen wir ad exaltanda
Crucifixi[?] gloriam23 auf Maulbronn mit der
gestrigen Compagnia Kürisser und der Compagnie
zue Fueß fortgeruckht, underweegs zwo
Compagnia Langspieß und Mußquetierer
zue unß gestosen, darmit wir umb 11 Uhren
mittags im Closter ankommen. Haben die Thor
alle offen gefunden und bey der inneren
Porten die Ambtleüth deß Closters sambt
dem genannten Abbt mit abgedächtem Haupt24
aufgewartet. Wir erstlich in die Kirchen
und folgendts in daß Gottshauß und durch
die vornembste Gemach und letstlich
in ains so den Herrn Subdelegirten25 zue
ihrem Losament26 verordnet gangen. Da hin-
ein Herr Obrist von Ossa die Ambtleüth
erfordert unnd ihnen angezaigt, daß sie
der anweessenden Herrn Commissarien Be-
felchs gewertig sein und worüber ihres
Berichts begehrt werde, denselben trewlich geben sollen.
Hierauf der von Herrn Administratorn zue Württenberg
deßhalb seines Vermeldens sonderbahr27 abgeordnete
Obervogt zue Brackhenhaim28, Faliski29, neben dem Undervogt
von Sehevaihingen30 geantwortet. Ihr Fürstliche Gnaden befrem-
de dise Occupation31, da sie doch nun bey Handt hundert
Jahr diß Gottshauß in stätther unwiderbrochner
Possess32 innengehabt. Lassen also darwider protest-
iren unnd ihre alle rechtliche Mittel vorbehalten.
Darauf Herr von Ossa kurzlich replicirt33, was deß
Kayßers Waaffen seyn, lasse sich nit vil protestirn noch
disputirn34. Er hab Befelch, das Closter denjehnigen,
denen es gehörig, zue restituieren. Das werde er
thuen. Die Württenbergische ferner wider
Gewalt khönden sie nicht sein. Ihr gnädiger Fürst
und Herr aber von des Hauß Wirttenberg
wegen, habe die landtfürstliche, auch glaitliche,
vorstliche und malefizische35 Obrigkait wie auch Schuz
und Schirm bey disem Closter von uhralten Zeiten
hergebracht. Daran werde man dem Hauß
Württenberg hofentlich nit Eintrag thun. Hierauf die Hern
Subdelegirte, waß das Hauß Wirtenberg
vor alten Zeiten vor jura36 rechtmäßig
gehabt und hergebracht, daran gedenckhe man
denselben nichts zue entziehen. Wise gleichwoln nicht,
wie die Sachen damit beschaffen und herkommen.
Nach solchem, als Herr von Ossa in sein Quartier
gangen, haben die Herrn Subdelegierte in unser
(der Salmanschweylischen)37 Gegenwarth von den
Ambtleüten uber daß Gottshauß Dörffer,
Pfarren und derselben Collatur38 und dergleichen summarische
Information, wie auch alle Schlissel abgefordert,
wellche die Ambtleith guetwillig hergeben.
Ich hab auch alsbaldt einen aignen Botten nach Lüzell39 abgefertiget,
Herrn Praelaten daselbst dise glickhliche Recuperation40 berichtet, und weiln
inzwischen den Herrn Praelaten des Ordens gemachten Abtailung diß
Gotshauß zue bestellen. Ihme Herrn zue Lüzell zue gefallen, das Ihr Gnaden
solche Bestellung sowoll mit Religiosis41 als Pfarrherrn, so auf das
Landt zue gebrauchen uneinstellig befirdern wolten gebitten.
Gegen Abendt, alß Herr von Ossa des obgenannten
Schefalißki im Closter ansichtig worden, hat er ihme
angefragt, waß Ursachen er sich daselbst aufhalten
thatte. Der geandtwortet, daß er auf die mondrige42
Huldigung der Underthonen zuewartten und darbey
ain Protestation43 einzuewenden fürstlichen Bevelch
hette. Dargegen von Ossa ihme angezaigt, wan er
anders nichts zue schaffen, möge er wol nach Hauß
keren und sich mit seiner Protestation nicht merckhen 
lassen, dan widrigenfahls wurde er ihne beim
Kopff nemen lassen. Seye nit der Weeg, durch solche Pro-
testationes die Underthonen von schuldigem Gehorsamb
abzuefahen und Ungelegenhait zue erweckhen.
Hernach gedachter Obervogt ihne Herrn von Ossa
gebetten, er wolte ihme (Obervogt) etlich Mußqua-
tierer44 morgen, wan die Huldigung fortgehn sollte,
vor die Haußthier legen, damit es daß Ansehen
hette, als wann ihme ain Arrest angelegt und
er dessenthalb nit von Hauß kommen und die anbe-
volhne Protestation bey der Huldigung ver-
richten können. Sich auch bey seinem gnädigen Fürsten und
Herrn darmit entschuldigen möchte. Es hat aber
Herr von Ossa hierzue nit verstehn wollen, mit Vermelden,
er hab nit Befelch, fürstliche Diener in Arrest zue
nehmen. Aber wan er (Obervogt) mit seiner Prote-
station Ungelegenhait zue machen sich understehn
wolte, werde ihme ain Schimpf45 unaußbleib-
lich begegnen. Darvor wolle er sich selbst
hüetten. Allso ist die Protestatio bey der
Huldigung vermitten bliben.

 

  1. Septembris

Ahn dißem heiligen Sonntag hat deß Herrn Obristen von Ossa
Cappellon46 in der Closterkirchen die erste Meß gelessen,
auch derentwegen 12 Reichßthaler Opffergelt bekhommen.
Nach ihme die Salmanßweylische Religiosi auch celebrirt. Inmitels
die Bawerschafft auff den Berg negst oberhalb des Closters
sich versamblet, die Kurrissier unnd das Fueßvolckh her-
umb gehalten und die 24 Schultheisen in den Ring zue den
Herren Subdelegirten hineinkommen. Unnd hierauff den gantzen
Umbstandt mit notwendiger Außfüehrung vorgetragen wordenn,
waß Masen die kayßerliche Mayestät ins Heilige Reich ein Edictum47 wegen
Restitution der gaistlichen nach Paßawischem Vertrag48 abge-
nomener Güeter puplicirt49 unnd zu dessen Execution50 ihre
Commissarios vorgenommen. Wider welchen Güetern das
Gotshauß Maulbronn auch seye, darumb Ihr Mayestät befohlen,
solcheß von Würtenberg abzuefordern, dem Orden welchem
eß gestifftet unnd in specie51 dem Herrn Praelaten diß
Gotßhauß Lützell wider einzueantwurten. Auch die Under-
thonnen der vohriger wüertenbergischer Pflichten
(damit sie den Hertzogen alß Inhabern dis Gotßhauß
bißhero gebunden gewest) zu verlassen, in newe Huldigung
zue nemmen unnd sie dahin zueweisen, das sie gedachtenn
Herren Praelaten, oder wen er zum Regierer diß Gotshauß
verordnen werde, unnd für jetzt aber biß zu Ihr Gnaden
Ankhunfft und anderwertigen Verordnung den gegenwertigen
Conventualen52 von Salmanßhweyler, Pater Placido Haßlach, als
Statthalter gewonliche Aydtßpflicht unnd Gehorsam er-
statten. Auch fürohin ihre schuldige Zinß und Dienst
nitmehr den würtenbergische Beampten, sonder dem
Herren Statthalter – oder wenn er, Herr Abbt von Lützell,
zu seiner Ahnkhunfft deputirn53 unnd setzen werde– laisten
unnd lüfferen54 sollen. Hergegen werde ein newer Herr
unnd Praelat sie bey ihren uhralten Rechten unnd Gebrauchen
(die Mißgebreüch abgesöndert) handhaben, schutzen unnd
schirmen. Sollen sich, ob sie die Huldigung unnd anderß
laisten wollen, erclären.
Worauff einer auß den Schulthaisen geantwurtet, wan
man sie bey ihren alten Rechten, Freyheit und Gewohnhaiten
bleyben lassen und handthaben wolle, seyen sie der
Huldigung erbietig. Die Herren Sublegierten erkhlärten
sich, daz sie under den alten Rechten unnd Gebreüchen dazjenige,
so von alters rechtmesig herkhommen unnd in Uebung ge-
west, gemaint und verstanden haben. Waß die Religion
belange, demnach der Lutherische Glauben wider Recht
bey dißen Gotshauß unnd seinen Angehörigen eingefüert
worden, so seye der kayßerlichen Mayestät Befelch, daz fürohin kein
anderer, als der alte chatholische Glaub bey dem Gots-
hauß und seinen Underthonen geduldet, gelehrt und ge-
predigt werden solle.

Hergegen obgedachter Schultes gerett, eß seye einem
einfältigen Man schwär, sich also geschwindt zu einem
Glauben zu bekhennen, der ihme vorhin unbekhandt
seye. Die Heilige Schrifft ordne unnd wolle, daz man
die Gaistern probirn55 solle, ob sie von Gott seyen.

Herwiderumb durch die Herren Subdelegierte Anzaig
beschehen, man begehre niemandt zu ubereylen, sonder eß
werden den Underthonen taugenliche Priester
geordnet und geben werden, welche sie in chatholischen
Glaubenssachen trewlich underrichten. Weme als-
dan dieser Glaub nit gefalle, der möge sein Haab und
Guet zu Gelt machen unnd darvonziehen oder sich an
andere Ohrt begeben. Nach welcher Erclerung, die zu
Genügen von den Underthonen angenommen ist, die
Erbhuldigung, obwohl ermelten Herren Praelatenn
zu Lützell und biß zu Ihr Gnaden anderer Verordnung
den obgenanten Statthaltern chatholischen Ge-
brauch nach auf Gotes und aller Hayligen Hilff
offent- unnd einhelliglich geschworen worden. Dar-
zu die Herren Subdelegirte ihnen, wie auch meinem
gnädigen Herren Praelaten zue Salmanßweyler
(so eben am Abendt zuvor spat zu Maulbronn
ankhommen gewest), von des Heiligen Ordenß wegenn
gratulirt.

Nach disem Acta56, alß man widerumb in das Gotshauß kommen,
hat man alle Diener, so nit Underthonen, fürgefordert unnd
befragt, ob sie weiter in vohriger Besoldung dienen wollen.
Deren bey 60 gewest die alle ihre Dienst zu contenuiren57
sich erbotten, allein zwen ob ihrer ringer Besoldung sich beschwörd58,
die biß zu Ankhunfft deß newen Herren Praelaten sich zu
gedulden gewisen unnd allesamentlich in Handtglübt vom
Herren Stathaltern genommen worden.

Hierauff die Praedicanten in starckher Ahnzahl
neben dem vermeinten Abbt des Chloster unnd deren
Kirchen- unnd Schueldienern auch erforderet unnd ihnen
ohngefüegt worden, daß sie auß Bevelch der Römischen Kayßerlichen
Mayestät nun jhetzo ihrer Diensten erlaßen sein unnd
sollen sich also von der Zeit ahn alles Predigenß und Kirchen-
wesenß wie auch der Conventiculen59 enthalten, ihre
Pfarrheüser fürderlich raumen, unnd welche nit sonsten
der Landen seßhafft oder verbürget unnd begüetet,
in 3 oder 4 Wochen sich ahn andere Ohrt begeben. Auch
die Kirchenzierden, Urban60 unnd Rechnungbiecher dem
Herren Statthalter einlüfferen61.

Darauff der genante Abbt nomine omnium sich dem
kayßerlichen Bevelch gemäß zu verhalten erkhlärt, jedoch
gebetten, weiln der Herbst vor der Thür unnd etliche
von ihrem Rebbaw noch den hewerigen Nutzen einzunemmen
heten, daß man ihnen hierzue Zeit unnd Plaz, wo von-
nöten, über die 4 Wochen gestatten. Auch ihme Abbten
zu Abfiehrung seiner noch uberigen Mobilien (dann die
andere mit seinemb Weib unnd Kindt er vor der
Commissarien Ahnkhunfft nach Vaihingen62 tranferirt
gehabt) etwaß Zeit lassen unnd mit den Fuehren
etwaß Hülff thuen wolte. Daß ihme verwilliget
und der anderen Praedicanten halb zu beschaidt worden:
Welcher mit seinem Herbst inner bestimpter Termin nit
förtig werden köndte, der  solle sich bey deß Gotshauß
künfftigen Praelaten anmelden. Daselbst ihme gebührender
Beschaidt, auch waß einem oder anderm in seiner Besoldung auß-
ständig volgen werde. Nicht weniger seyen auch die beeden
Praeceptoribus63, auf ihr Ahnhaltung zu Abfuehrung ihrer Mobilien,
die Fuehren vergünstiget worden. Die Scolores64 aber, deren
33 gewest seyn, etlich Tag vorher mit ihrer Subtollectile[?]
auß dem Chloster gewichen gewest. Sonsten an Betgwandt
unnd Leinwat ein zümblicher Vorraht, wie auch an hewrigen
Früchten fast noch alles beysammen unnd bey 170 württembergische
Symmer65, wies gefunden worden.

Letzstlich seyen auch der Amptleüth des Chlosters unnd die
Pfleger auff dem Landt fürgefordert unnd befragt
worden, ob sie ihre Ämpter diser Zeit länger zu bedienen
begehren. Darauff der Verwalter sampt noch einem
angezaigt, daß er von Ihro Fürstlichen Gnaden zu Würtenberg
zu seinem Dienst angenommen worden. Unnd hab hier-
umb ein namhaffte Caution66 geben müesen, also zu
besorgen, das er ohne Erlaubtnuß auß Ihrer Fürstlichen
Gnaden Diensten tretten solte, daz er gegebner Caution
halber gefahrt unnd zu Schaden gebracht werden möchte.
Bitte umb Dilation67, daz er bey Ihr Fürstlichen Gnaden sich
Beschaidts erhohlen möge. Wolte aber verhoffen, daz Ihro
nit zuwider sein werde, daz er einem newen Herren
lenger dienen. Ingleichen auch andere Officianten
sich bey Ihr Fürstlichen Gnaden Beschaidts zu erhohlen auf
wenig Tag Verzug begehrt, daz ihnen verwülliget oder biß
dahin oder biß zu ihrem Abzug. Unnd Erstattung der Rechnungen,
deren Herren Stathaltern getrew und gehorsamb
zu sein auch von ihren Ambtsbücheren unnd -schrifften
nichts zu verenderen daz Handtglübt genommen. Unnd
darneben von dennen so zumahlen Underthonen ein leiblicher
Aydt in chatholischer Formb geschworen worden.

Von den Chlosterrechnungen hat der Verwalter drey, von
anno etcetera 1626, 27, 28 gelüffert, und alß man die Letzsteren
von anno etcetera 1629 auch haben wollen, hat er angezaigt, daß
er solche Rechnung nach Stuetgart zum Abhören68 uberschickht. Die
seye noch nit abgehört unnd instiuicirt69 worden. Er habe zwar
daz ein Exemplar noch bey seinem Gwalt, aber jetzo nit bey der
Handt, sonder neben anderen seinen Sachen nacher Vaihingenn
geflehnet70, dann vor 14 Taagen ihme von Hof Bevelch
zukommen, dergleichen zu flehnen. Hernach auß der
Cantzley Erlaubnuß erfolgt, das er die 3 lestere ab-
gehörte Rechnungen bei ankhommenden Herren kayßerlichen
Commissarii zu Handen stellen möge. Unnd solle demnach
sich dan auß solchen Rechnungen befunden, das in anno 1628
ein gedoppelt Inventarium uber den Haußraht unnd
Mobilien des Chlosters gemacht, ist solches auch begehrt,
unnd weyln der Verwalter solcheß auch nach Vaihingen
sampt seiner lesten71 noch nit abgehörten Rechnung trans-
ferirt zu haben sich entschuldiget, ist ihme solche unnd
andere zum Gotshauß gehörige Schrifften eheisten ab-
zuforderen und wider inß Chloster zu restituiren72
anbefohlen. Auch biß dahin von seinem selbst Haab
unnd Guet nichts zu verenderen geboten worden.
Die Urbaria unnd Lägerbiecher aber haben nach An-
zaig dises Amptmans Ihr fürstlicher gnädiger Herr
Administrator vor längsten auß den Chlöstern
nach Hoff abforderen laßen.

Nach solcher Verrichtung der vihlgedachte Schefal-
iski abermahlen sich angemeldt, daz er bey meinem
gnädigen Herren Praelaten zu Salmanßweyler waß
anzubringen hete. Unnd als Ihr Gnaden ihme die
Audienz guetwillig offerirt, hat er vermeldet,
wolte lieber sein Ahnbringen in Gegenwart der Herren
kayßerlichen Subdelegirten thuen. Also er von ihnen unnd
meinem gnedigen Herren samentlich ahngehört worden
unnd hat sein gestrige Reservation73 wegen deß
Hauß Würtenberg bey disem Chloster habender
Ober- unnd Berechtigkaiten erholet. Auch beyneben sich
erkhlärt, das die Praedicanten abgeschafft wordenn,
da jedoch berait in anno etcetera 1534, alß einer nahmens
Sebastian Lutz zu Maulbron Abbt gewest, die luterische
Religion bey den Underthonen gelehrt unnd geprediget
worden wäre. Deme zu Antwort gefolgt, das
man gestern sich erclärt, man begehre niemandt in seinen
Juribus zu praeiudiciren74. Ob aber unnd waß für Recht
unnd Herrligkheiten Würtenberg bey disem Gotshauß
oder waß daselbige widerumb für Freyheiten habe, daz
wiße man nicht sonder75. Werde auß des Gotshauß
oder waß dazselbe hinwiderumb Documentis hierüber Nach-
richtung zue nemmen sein, wan Ihr fürstliche Gnaden die-
selben schuldigemaßen dem Gotßhauß widerumb werden
restituirt haben. Die abgeschaffte Praedicanten be-
treffent, seye solches der kaißerlichen Mayestät Bevelch unnd
Intention gemäß beschehen. Unnd werden Ihr Mayestät
zweiffelßohne alleß zur Noturfft considerirt76 und er-
wogen haben. Darauff der Schefaleßki mit vermelden,
das er sein Commission77 abgelegt hete, abscheiden.

Noch ferner zu merckhen, das in der gewesten württenbergischen
Taffelstuben von des Gotshauß Stifftung unnd Praelaten
vihl monumenta78 unnd elogia79 auff die Maur gemahlet
zu sehen. Darunder auch der abtrinige Abbt Johanneß
Epplin80, zumahln gewesner Abbt zu Konigsbronn81, geschriben
unndt vermerckht, daß er anno 1557 gestorben unnd
ein halb Jahr zu Maulbron Abbt gewest, der daß
Evangelium amplectirt82 gehabt. Welches, da eß in dem halben
Jahr seiner Rechnung beschehen, anno 1557, unnd also lang nach
Paßawischem Vertrag mueß geschehen sein. Nicht weniger geschicht
an einem anderen Ohrt Meldung, waßmaßen unnd in
welchem Jahr Christopff Hertzog zu Würtenberg die Reforma-
tion in disem Chloster vorgenommen habe. Es ist aber die
Ahnzahl der Jahren allerdings durchschaben und cancollirt83
worden. Da jedoch sonst die gantze scriptura integra et incor-
rupta84, also die unzweiffelche Vermuotung hierauß entstehet,
das solche vermeinte Reformatio erst nach Paßawischen
Religionsvertrag erfolgt seye.

Von Maulbronn ist Herr Obrist Ossa auff Erforderen
Hertzogen in Fridlandt85 nach Memmingen86 abgeraist unnd
die Comenda87 dem Obristen-Wachtmaistern überlaßen. Mit
deme unnd der obgedachten Reüterey unnd Fueßfolckh
wörd gegen Abendt nach 4 Uhren von Maulbron nach Hirschaw88
geruckht unnd dieselb Nacht in dem Marggraffischen
Fleckhen Aitingen89 mit der Soldateska Quartier genommen.

 

  1. Septembris

Volgenden Morgen durch Pfortzhaim auff Zell90, da die
warme Bäder, zugezogen. Darvon bey 3 Viertelstundt
ungevahr daß Gotshauß Hirschaw gelegen. Unnd sein
wüer ohne laidige Widersetzligkeit eingelaßen unnd
von dem würtenbergischen Comissario Friderich von Jano-
vitz91 unnd den Amptleüthen freindtlich empfangen unnd
tractirt worden

 

[…]


1 Salem FN. Die Reichsabtei Salem war ein Kloster des Zisterzienserordens und eine der wohlhabendsten und bedeutendsten reichsunmittelbaren Abteien des Bodenseeraums

2 Stadt Maulbronn PF.

3 Bad Cannstatt, Stadt Stuttgart S.

4  Ossa, Wolf Rudolf von (um 1574–1639), kaiserlicher General; vgl. <https://www.30jaehrigerkrieg.de/ossa-wolf-rudolf-freiherr-von-2/> (28.06.2023).

5 Bedeutung: „mit zwayen Guttschen und zwen Pagagiwägen“ = mit zwei Kutschen und zwei Gepäckwagen.

6  Vermutl. Enzweihingen, Stadt Vaihingen an der Enz LB.

7 Kürassiere = Angehörige der schweren Kavallerie.

8 Bedeutung: „Restitution“ = Wiederherstellung (der katholischen Glaubenslehre), Rekatholisierung.

9 Stadt Stuttgart S.

10 Bedeutung: „Commissarius“ = Bevollmächtigter, Beauftragter.

11 Bedeutung: „recognosciren“ = betrachten, anschauen, in Augenschein nehmen.

12 Bedeutung: „Praedicanten“ = evangelische Prediger/Priester.

13 Lat. = dieses (Monats).

14 Bedeutung: „betagen“ = festlegen, datieren.

15 Bedeutung: „Administrator“ = Verwalter eines hohen Amtes, Amtsträger.

16 Einer der württembergischen Beamten namens Bouwinghausen von Walmerode (vgl. Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 3, Stuttgart 1993, S. 40).

17 Bedeutung: „Exection“ = Wegführung, Verschleppung.

18  Lat. = Bedeutung: „in conversatione“ (lat.)  = in Sinnesänderung, in Änderung seiner Meinung.

19 Bedeutung: „München“ = Mönche.

20 Bedeutung: „verndrig“ = vorherig, vom Vorjahr her.

21 Bedeutung: „Despect […] gerochen“ = Missachtung gerächt/vergolten.

22  Sehr merkwürdiges Kauderwelsch aus Frühneuhochdeutsch und Latein; Bedeutung (vermutlich): „An diesem Tag, dem Fest der Kreuzerhöhung (Fest der Erhöhung des Heiligen Kreuzes) [sind wir] deswegen, vor allem nach häretischen Widersachern des Heiligen Kreuzes Ausschau haltend, [mit den beiden Kompanien Kürassiere und Fußsoldaten vom Vortag nach Maulbronn vorgerückt].“ Anm.: „Kreuzerhöhung“ oder „Fest der Erhöhung des Heiligen Kreuzes“ (lateinisch „festum in exaltatione sanctae Crucis“) ist der Name eines Festes, das im Kirchenjahr der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Kirchen am 14. September gefeiert wird.

23 Lat. = „ad exaltanda Crucifisci gloriam“ (mutmaßlich) = zum Lobpreis des Kreuzes bzw. der/des Kreuztragenden.

24 Bedeutung: „mit abgedächtem Haupt“ = mit entblößtem Haupt, unter Abnahme der Kopfbedeckung (Demutsgeste).

25 Bedeutung: „Subdelegierte“ = Unterbevollmächtigte.

26 Bedeutung: „Losament“ = Unterkunft, Wohnung, Quartier.

27 Bedeutung: „sonderbahr“ = speziell, eigens.

28  Stadt Brackenheim HN.

29  Schaffalitzky von Muckadell, Ludwig, verst. 1637, Obervogt zu Brackenheim 1621–1630 (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 2, Stuttgart 1963, § 2253).

30 Vermutl.: Enzweihingen, Stadt Vaihingen an der Enz LB.

31 Bedeutung „Occupation“ = Besetzung, Inbesitznahme.

32 Bedeutung: „in stätther unwiderbrochner Possess“ = in dauerhaftem, unangetastetem Besitz.

33 Bedeutung: „repliciren“ = erwidern, entgegnen.

34 Bedeutung: „disputirn“ = streiten, in Abrede stellen.

35 Bedeutung: „die landtfürstliche, auch glaitliche, vorstliche und malefizische [Obrigkeit]“ = die landesfürstliche, auch Geleit(-schutz) gewährende, fürstliche und schwere Leibesstrafen verhängende [Obrigkeit].

36 Lat. =  rechtliche Befugnisse, (persönliches) Recht, Anrechte, Ansprüche auf etwas.

37  Bezieht sich auf das Zisterzienserkloster in Salem FN.

38 Bedeutung: „Collatur“ = das Recht auf Verleihung von Pfründen, Patronatsrecht.

39  Zisterzienserabtei Lützel (1792 aufgehoben). Das ehemalige Klostergelände liegt heute in Frankreich, in der Gemeinde Lucelle im Elsass, an der Grenze zur Schweiz.

40 Bedeutung: „Recuperation“ = Rückgewinnung.

41 Bedeutung: „mit Religiosis“ = in religiöser Hinsicht, mit Blick auf die Religion.

42 Bedeutung: „mondrige“ = monatliche.

43 Bedeutung: „Protestation“ = Beschwerde.

44 Bedeutung: „Mußquatierer“ = Musketiere, Schützen mit Musketen.

45 Bedeutung: „ain Schimpf“ = eine (harte) Strafe.

46 Bedeutung: „Cappellon“ = Kaplan.

47 Bedeutung: „Edictum“ = Befehl, landesherrliche Verordnung.

48 Der Passauer Vertrag von 1552 zwischen dem römisch-deutschen König Ferdinand I. und den protestantischen Reichsfürsten nach dem Fürstenaufstand stellte die formale Anerkennung des Protestantismus dar, die mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 reichsrechtlich festgeschrieben wurde.

49 Bedeutung: „publicirt“ = veröffentlicht, öffentlich verkündet.

50 Bedeutung: „Execution“ = Ausführung, Durchführung.

51 Bedeutung: „in specie“ = insbesondere.

52 Bedeutung: „Conventual“ = sitz- und stimmberechtigtes Mitglied eines Konvents.

53 Bedeutung: „deputirn“ = jm. etw. befehlen, jn. zu etw. abordnen.

54 Bedeutung: „lüfferen“ = liefern, abgeben.

55 Bedeutung: „die Gaistern probirn“ = die geistlichen Lehren (bzw. die Geistlichen) dahingehend untersuchen.

56 Bedeutung: „Acta“ = Handlung.

57 Bedeutung: „zu contenuiren“ = fortzuführen.

58 Bedeutung: „ob ihrer ringer Besoldung sich beschwörd“ = sich wegen ihrer geringeren Bezahlung beschwert [haben].

59 Bedeutung: „Conventiculen“ = Zusammenkünfte.

60 Bedeutung: „Urban“ = Urbare, Lagerbücher (Besitz- und Einkunftsverzeichnisse).

61 Bedeutung: „einlüfferen“ = abliefern, aushändigen, vorlegen.

62  Stadt Vaihingen an der Enz LB.

63 Bedeutung: „Praeceptoribus“ = Lehrer, Lehrmeister, Erzieher.

64 Bedeutung: „Scolores“ = Schüler.

65  Bedeutung „Symmer (Simri)“ = altes deutsches Hohl- und Trockenmaß vor allem zum Messen von Getreide (in Württemberg damals ca. 8,3 Liter).

66 Bedeutung: „Caution“ = Bürgschaft, Sicherheitsleistung.

67 Bedeutung: „Dilation“ = Aufschub, Einräumung einer Frist.

68 Bedeutung „abhören“ = auf seine Richtigkeit überprüfen, abnehmen (speziell in Bezug auf Rechnungen).

69 Vermutlich verschrieben statt: institui(e)rt (angeordnet) oder insinui(e)rt (zugestellt).

70 Bedeutung: „flehnen“ = flüchten, in Sicherheit bringen.

71 Bedeutung: „lesten“ = letzten.

72 Bedeutung: „zu restituiren“ = zurückzubringen.

73 Bedeutung: „Reservation“ = Inanspruchnahme, Beanspruchung.

74 Bedeutung: „ in seinen Juribus zu praeiudiciren“ = in seinen (religiösen) Rechten zu benachteiligen.

75 Bedeutung: „sonder“ = genau.

76 Bedeutung: „alleß zur Noturfft considerirt [haben]“ = alles Notwendige bedacht [haben].

77 Bedeutung: „Commission“ = Anweisung, Genehmigung, Vollmacht (hier: eine Vollmacht abgeben/niederlegen).

78 Lat. = Denkmale, hier: Erinnerungszeichen, Aufzeichnungen.

79  Lat. = Sprüche.

80 Epplin, Johann. Er wurde am 29. Juli 1557 als Abt von Maulbronn eingesetzt, starb aber bereits 2 Monate später. Er war bereits evangelisch gesinnt und wird als erster lutherischer Abt des Klosters bezeichnet <(http://www.pfenz.de/wiki/Johann_Epplin)> (28.06.2023).

81 Königsbronn HDH.

82 Bedeutung: „amplectiren“ = ausführen, ins Herz schließen, gutheißen, anerkennen (wörtl.: umfassen).

83 Bedeutung: „durchschaben und cancollirt“ =weggeschabt und durchgestrichen.

84 Lat. „scriptura integra et incorrupta“ = untadelige und unbescholtene Darstellung.

85 Wallenstein, Albrecht von (1583–1634), Herzog von Friedland, zweimal Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee im Dreißigjährigen Krieg <(https://de.wikipedia.org/wiki/Wallenstein)> (26.06.2023).

86 Stadt Memmingen MM.

87 Bedeutung: „die Comenda“ = das Kommando, die Befehlsgewalt.

88 Hirsau, Stadt Calw CW.

89 Eutingen, Stadt Pforzheim PF.

90 Stadt Bad Liebenzell CW.

91 Janowitz, Friedrich von (verst. 1635), 1624–1634/35 Geheimer Rat, Edler Oberrat und Geheimer Regimentsrat, 1630–1635 Tutelarratspräsident (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 1, Stuttgart 1957, § 1120, 1196, 1389).

Quelle Generallandesarchiv Karlsruhe 98/2534
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.