Amt Maulbronn an Herzog von Württemberg 1652
Der Maulbronner1 (Unter-)Vogt Bartholomäus Marchtaler2 berichtet Herzog Eberhard III.3 von Württemberg auf herzoglichen Runderlass hin in einer dezidierten Auflistung über das Ausmaß der Kriegsschäden im Klosteramt Maulbronn, insbesondere im Hinblick auf Bevölkerungsverluste, Gebäudeschäden und den allgemein schlechten Zustand der Äcker, Wiesen und Rebflächen. In einem Nachtrag informiert Marchthaler auch über die Situation in den nördlich des Klosteramts gelegenen Klosterorten, die unter kurpfälzischem Schutz stehen.
Maulbronn, 26. September/5. Oktober 1652 (Ausfertigung)
1 Stadt Maulbronn PF.
2 Marchtaler Bartholomäus von (1606–1662), 1647/48 bis 1655 [Unter-]Vogt zu Maulbronn (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 2, Stuttgart 1963, § 2605).
3 Württemberg, Eberhard III. Herzog von Eberhard III. (Württemberg, Herzog) – Wikipedia (TT.MM.JJJJ).
Durchlauchtiger hochgeborner
gnedigster Fürst und Herr.
Euer Fürstliche Gnaden gnedigsten Befelch sub dato4 28ten
Augusti underthönigst zue berichten, den annoch5 befin-
denden höchst kläglichen6 Kriegsschaden in diesem Amt etcetera
habe ich den 15. diß7 gehorsambst empfangen und
hierüber genante Erkhundigung eingezogen. Daß
I.
Mannschafft, wie ich glaublich erfahre8, sowohl
anno 1631 bey erstmalhiger Occupation9 des
Closters alß auch vor und hernach bey under-
schidenen Musterungen 7.000, auch daruber biß in
7.220 gehuldigter Mann und Burgers-Söhn in
disem Amt gewesen. Erstmahls aber, nach dem
Fridenschluss und Apprehension10[?], sich nitmehr
dann 389 und dißmahl samt Beysizern11
716 befinden. Also Euer Fürstliche Gnaden annoch
ermanglen mannbare12 Underthonen
— ——6.504.
II.
Wüstligende und verödete Velder werden
wenigst gerechnet
Ackher.
4 Bedeutung: „sub dato“ = unter dem Datum, datierend den [28. August].
5 Bedeutung: „annoch“ = jetzt, heute noch.
6 Bedeutung: „kläglichen“ = beklagenswerten.
7 Gemeint ist der 15. September dieses Jahres.
8 Bedeutung: „glaublich erfahre[n]“ = aus zuverlässiger Quelle wissen bzw. mitgeteilt bekommen.
9 Bedeutung: „Occupation“ = Besetzung.
10 Bedeutung: „Apprehension“ = Ergreifung, Verhaftung, Auffassung; hier: Erfassung.
11 Bedeutung: „Beysitzer“ = Einwohner ohne Bürgerrecht (auch: Hintersasse).
12 Bedeutung: „mannbare“ = erwachsene, wehrfähige, für den Kriegsdienst taugliche.
Ackher, deren vihl gantz dickh13
verwaldet ———— 15.339 Morgen
Weingart, darunder, daß der
halbe Teil nimmermehr gebaut
werde, besorglich14 —— 238 Morgen
Wisen, so zum Teil gantz
Gehölz worden ——— 348 Morgen
——————————
17.925 Morgen Velder.
III.
Abgebrante Döffer
1. Knitlingen15, auß der Zargen16
2. Ohelbronn17, halben, und an beede Orten vihl
Leut niedergesabelt18
3. Lomerßheim19, daß Dritteil
4.Gladbach20, halben
5. Iptingen21, halben
6. Wierßheim22, zwey Dritteil
In andern Dorffschafften absonderliche23 Gebaw
und in allem durch den
Krieg in die Aschen gelegt
1½ Kirchen,
8 Herrschafft-Gebaw an Pfleghöfen24, Frucht-
kasten und Kelttern,
6 Mihlinen25.
13 Bedeutung: „dickh“ = wörtl.: häufig, fortwährend, dauerhaft; es könnte aber auch (als Gradpartikel zur Intensivierung von Adjektiven) „viel, außerordentlich“ bedeuten.
14 Bedeutung: „besorglich“ = zu Besorgnis Anlass gebend, heikel.
15 Stadt Knittlingen PF.
16 Bedeutung: „zarge“ = Umkreis, Bezirk einer Ortsanlage; wörtl.: Seiteneinfassung.
17 Öschelbronn, Gde. Niefern-Öschelbronn PF.
18 Bedeutung: „niedergesabelt“ = niedergehauen, mit dem Säbel getötet.
19 Lomersheim, Stadt Mühlacker PF.
20 Großglattbach, Stadt Mühlacker PF.
21 Iptingen, Gde. Wiernsheim PF.
22 Wiernsheim PF.
23 Bedeutung: „absonderlich“ = abgesondert; hier: abgelegen, einsam.
24 Bedeutung: „Pfleghof“ = Wirtschaftshof eines Klosters (oder Domkapitels). Hier wurden Rechtsgeschäfte abgewickelt und die Steuerabgaben (der „Zehnte“) gelagert.
25 Bedeutung: „Mihlinen“ = Mühlen.
| ⌈ | 865 Hauser und Scheuren verbrant. | |
| 1 648 Gebawr | 〈 | Abgebrochen, minirt26 und zuegrundt gerichtet |
| privatorum27 | ⌊ | 783 Haußer und Scheuren. |
Weil dann in disem Ambt die Güetter schier
insgemein28 hueb- und zoeh[?] gulttbar29, auch
die Underthonen namhaffte Frohndinst schuldig,
ist aller diser Verlust Euer Fürstliche Gnaden entradon[?]
sehr empfendtlich.
Solte Euer Fürstliche Gnaden ich underthönigst berichten
und dero zue Fürstliche Hulden mich gehorsamst
anbefehlen. Datum30 den 26. September
anno 1652.
Euer Fürstliche Gnaden
underthönigst
verpflicht
gehorsamster
Vogt zue Maulbronn
Bartholomaeus Marchtaler.
Postscriptum31
Auch gnedigster Fürst und Herr etcetera.
Neben underthönigst gemelten Maulbronnischen
Amts-Dorffschafften habe der in des Closters aigenen,
in der Pfaltz und Bistumb32 gelegener Flekhen
Gölzhaußen33, Zaisenhausen34, Under-Öwißheim35
und Lußheim36 Kriegsschaden ungefahrlicher
Wißenschafft37 nach beklagen wollen, daß alda
gegen voriger Zeiten ermanglen.
1. Underthonen und Mannschafft
— 517.
2. Noch wüst38 ligen
| Ackher | — 1.410 | ⌉ |
| Weingart39 | — 310 | 〉 —1.760 Morgen |
| Wisen | — 40 | ⌋ |
3. Verbrant
daß Dorff Lußheim
samt
1 Kirchen.
| ⌈ 94 Gebaw | |
| 23440 | 〈 ruinirt in disen 4 Dörffer. |
| ⌊ 140 Gebaw.41 |
Welches Euer Fürstliche Gnaden underthönigst anfügen
und dero Fürstliche Hulden mich gehorsamst
verwanden42 wollen.
Euer Fürstliche Gnaden
underthönigst
gehorsamster
Vogt zue Maulbronn
Bartholomaeus Marchtaler
31 Lat. = Nachtrag.
32 Gemeint ist das Bistum Speyer.
33 Gölshausen, Stadt Bretten KA.
34 Zaisenhausen KA.
35 Unteröwisheim, Stadt Kraichtal KA.
36 Altlußheim HD.
37 Bedeutung: „ungefahrlicher Wißenschafft [nach]“ = auf Schätzungen basierend, nach ungefährem Wissen berechnet.
38 Bedeutung: „wüst“ = brach.
39 Bedeutung: „Weingart“ = Weinberge, Rebflächen.
40 Anzahl aller Gebäude der 4 vorgenannten Dörfer.
41 Unzerstörte Gebäude.
42 Bedeutung: „verwanden“ = empfehlen.
| Quelle | Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 29 Bü 105a |
| Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu. |