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Herrenalber Pflegamt Derdingen an Herzog von Württemberg 1632

Ulrich Springer1, Pflegamtsverweser zu Derdingen2, erstattet Herzog Eberhard III. von Württemberg Bericht über die regionalen militärischen Geschehnisse, vor allem vom Zug schwedischer Einheiten über Mainz3, Worms4 und Deidesheim5 in Gebiete rechts des Rheins sowie über die Zerstörung von Forst6. Französische Truppen sollen bei Schröck7 über den Rhein gesetzt und in den Dörfern bei Durlach8 Quartier genommen haben; von dort sollen sie am 6./16. Juni nach Pforzheim9 weitergezogen sein. Über das weitere Ziel gäbe es nur Vermutungen. Bereits 50 Berittene sollen über den Kampf mit ossaischen und lothringischen Truppen10 nach Bretten11 vorgedrungen sein. Dort herrsche nun große Angst vor dem Feind.

Derdingen, 6./16. Juni 1632 (Ausfertigung)

Durchleüchtiger hochgeborner etcetera
gnädiger Fürst unnd Herr. Euer fürstliche Gnaden bericht ich
hiemit unnderthönig, daß noch außgeschickhter
Kundtschafft ich nachrichtlich eingebracht, daß
schwedische Volckh seyen vorgestern von Meintz, Wormbs
in großer Anzahl auffwertz nach Deüdesheimb,
so pfälzisch jenseits Rheins uf 3 Meil gegen dem
Gebürg gelegen, so mit Spanniern besezt, gezogen,
der Statt begerth, aber abgetryben worden12. Dar-
yber dasselbe Forst yber Rhein, ein zimblichen Fleckhen13,
abgebrandt unnd in die Aschen gelegt. Wa es nun hinauß,14
kan ich nit wissen. Heut kompt ein, daß gestern
3 Compagnien zu Pferdt unndt 5 Compagnia
zu Fuß frantzösisch Volck zu Schröckh dißer Seitten
über Rhein kommen, vergangene Nacht umb
Durlach, zu Grätzingen15, Bargkhaußen16 unndt
Weßingen17 logirt. Heut gehe der March gegen Pfortz-
heimb. Wohin sie aber morgen, würdt ungleich
von geredt. Etliche melden, unnd sein sonnderlich
die in Bretten allso beredt, daß der March uf
Stuttgardt gehen werde, alda Hertzog Eberhardts
fürstliche Gnaden in fürstliche Regierung eingesezt
werden solle. Unnd sein etliche der Mainung,
samb weren Ihro fürstliche Gnaden, ußer Franckhreich
kommend, selbst darbey. Andere aber berichten,
daß sie von Pfortzheimb uff Hailbronn18 wöllen.
Denn gewißern Grundt zu erfahren19, habe ich albereit
dem Volckh geradenweegs entgegengeschickht. Unndt
würdt inn Sonnderheit darbey bericht, daß sich diß Volckh
drey unnderschiedliche Mahl durch daß ossaisch oder
lothringisch Volckh schlagen müeßen, die in Bretten
dahin in dißer Stundt wider 50 Reutter kommen20.
Waren vergangene Nacht in großer Forcht.
Haben sich zur Flucht gäntzlich gefaßt gemacht. Allso
daß darvor gehalltten würdt, wann mann sich nur
mit dem Spihl hete hören lassen21, selbige außge-
ryssen unnd die Statt verlassen heten. Gleiche
Forcht soll auch in Speyr sein. Sollte Euer Fürstliche Gnaden
zu unnderthönigem Bericht ich gehorsamblich nit ver-
halltten22, deren zu Fürstliche Gnaden mich wie allwegen
underthöniglich empfehlendt. Datum Derdingen,
denn 6ten Junii anno etcetera 1632.

Euer Fürstliche Gnaden
unnderthöniger
gehorsamer
Pflegamptzverweeser daselbsten
Ulrich Springer


1 Springer, Ulrich, 1632 Pflegamtsverweser zu Derdingen (nicht zuzuordnen in Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Stuttgart 1957–1993). Er füllte zumindest teilweise die Vakanz zwischen Aristoteles Heller (1627–1629) und Christoph Andler, der ab Martini 1632 amtierte (Pfeilsticker, Dienerbuch, Band 2, Stuttgart 1963, § 3379).

2 Oberderdingen KA.

3 Stadt Mainz MZ.

4 Stadt Worms WO.

5 Stadt Deidesheim DÜW.

6 Forst KA.

7 Schröck (1833 in ‚Leopoldshafen’ umbenannt), Gde. Eggenstein-Leopoldshafen KA.

8 Durlach, Stadt Karlsruhe KA.

9 Stadt Pforzheim PF.

10 Truppen des Ossa, Wolf Rudolf von (um 1574–1639), kaiserlicher General <https://www.30jaehrigerkrieg.de/ossa-wolf-rudolf-freiherr-von-2/>(08.05.2023) bzw. Karl IV. von Lothringen <https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_IV._(Lothringen)> (08.05.2023).

11 Stadt Bretten KA.

12 Bedeutung: „der Statt begerth, aber abgetryben worden“ = die Stadt erobern wollten, aber abgewehrt werden konnten.

13 Bedeutung: „ein zimblichen Fleckhen“ = eine ansehnliche Ortschaft.

14 Bedeutung: „wa es nun hinauß“ = was sonst noch passiert ist.

15 Grötzingen, Stadt Karlsruhe KA.

16 Berghausen, Gde. Pfinztal KA.

17 Wössingen, Gde. Walzbachtal KA.

18 Stadt Heilbronn HN.

19 Bedeutung: „denn gewißern Grundt zu erfahren“ = um sicher zu gehen.

20 Bedeutung: „dahin in dißer Stundt wider 50 Reutter kommen“ = wohin zu dieser Stunde weitere 50 Reiter Verstärkung hinzukommen.

21 Bedeutung: „wann mann sich nur mit dem Spihl hete hören lassen“ = wenn man auch nur eine Fanfare gehört hätte.

22 Bedeutung: „sollte Euer Fürstliche Gnaden zu unnderthönigem Bericht ich gehorsamblich nit verhalltten“ = dies möchte ich Euer Fürstlichen Gnaden gehorsamst in meinem undertänigen Bericht nicht vorenthalten.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 90 B Bü 21, Nr. 61
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.